Der lachende Vogel II,XIV

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„Nur, wie kann man ohne diese schöpferische Kraft wirklich leben?“

„Diese Frage musst du mir beantworten. Ich bin ja nur ein fedriges Etwas. Wir Vögel wissen, woran unser Leben hängt. Treffender als Franziskus konnte niemand bislang unser Sein beschreiben:

»Meine Brüder Vöglein, gar sehr müsst ihr euren Schöpfer loben, der euch mit Federn bekleidet und die Flügel zum Fliegen gegeben hat; die klare Luft wies er euch zu und regiert euch, ohne dass ihr euch zu sorgen braucht«.

Wir verdanken alles unserem Schöpfer. Manchmal glaube ich, ihr Menschen habt die Grundlektion des Lebens vergessen.“

„Es scheint so. Viele Menschen glauben heute, allein für ihr Leben verantwortlich zu sein. Sie sind der festen Überzeugung, der Fortgang ihres Lebens liege allein in ihren Händen.“

„Und wenn alles anders als geplant oder erhofft kommt, sind sie ratlos und wissen nicht ein noch aus.“

„Weißt du mein Lieber, was ich mich schon immer gefragt habe, ob Gottes bedingungslose Ja, sein Liebe jedem einzelnen Menschen gegenüber, uns als Person gilt, oder, ob es auch dem gilt, was unser Leben gerade ausmacht. Verstehst du, was ich meine?“

„Ich glaube schon. Du meinst zum einen, was du als Mensch wesensmäßig und als Person bist; und zum anderen, wie du gerade lebst, was du sagst und was du tust.“

„Genau.“

„Kann man beides von einander trennen? Du bist es doch, der mit dem ganzen Wesen deiner Selbst redest und handelt.“

„Richtig… und doch, wird Gott nicht an allem, was ich tue, seinen Gefallen haben.“

„Aber genau dies macht doch seine Bedingungslosigkeit aus. Wenn du erst werden würdest, wie Gott dich gerne hätte, dann bräuchte er dich nicht mehr lieben. Lieben heißt doch – und dies gilt wohl auch für eure zwischenmenschliche Liebe – dem anderen zugewandt sein, ohne, dass dieser etwas dafür getan hat. Darin liegt ihre schöpferische Kraft. Sie erschafft einfach so.“

„Und dies kann bei Lichte betrachtet, nicht ohne Resonanz bleiben.“

„Ich stimme dir zu. Gleichwohl ist meine Beobachtung bei euch Zweibeinern, dass eine nicht unmaßgebliche Anzahl gerade dieses im Sinn hat: Ich handle, damit mir das Erwünschte widerfährt. Die Liebe, aber wem erzähle ich das, lässt sich nicht erwirken.“

„Das wäre so, als würde der Grashalm sich selber aus dem Boden ziehen.“

„Ja, er braucht Licht, Wasser und Wärme. Dinge, die er sich selbst nicht geben kann. Wir von euch Menschen manchmal als einfältig betrachtete Wesen wissen um diese Zusammenhänge. Darum beten wir unseren Schöpfer auch an.“

„Wir Menschen dagegen, glauben mit jedem Fortschritt, dass Leben mehr in den Griff zu bekommen… bis, ja bis es uns aus den Händen gleitet.“

„Und am Ende seht ihr in euer Spiegelbild und könnt nicht mehr fassen, wer ihr seid, sucht und findet den verloren Blick, der euch entgegenkommt. Augen, wortlos suchend, voller Angst. Vielleicht gegehrt in solch einem Augenblick etwas in euch auf. Eine vage Erinnerung versucht aufs Neue hervorzutreten. Ein Gefühl, ein Wort, ein Satz steigt aus der Tiefe herauf.“

„Das Leben sucht immer nach Entfaltungsmöglichkeiten. Das Leben ist letztlich stärker als der Tod.“

„Ja, manchmal – du weißt ich komme weit herum – komme ich an einem verfallenen Haus vorbei. Erst umkreise ich es im Flug einige Male, dann setze ich mich irgendwo nieder und betrachte das Grün, dass seinen Weg durchs Mauerwerk gefunden hat. Und ich denke: Am Ende siegt das Leben, was immer sich auch in diesem Gemäuern ereignet haben mag… und unser Land hat viel Grausamkeit erlebt.“

„Die Liebe überwindet alle Todesschatten. Sie breitet sich über uns aus und steht fest… wie der Himmel in seiner unermesslichen Weite.“