Eines Tages hatten Juan und Felipe vor dem Haus gestanden.
Johannes war gerade dabei, Schutt und Dreck aus einem der Zimmer auf die Straße zu tragen, als zwei völlig verwahrloste Jungen vor ihm stehen blieben.
Fragend schauten sie ihn an.
Nach einer Weile fragte der Ältere von beiden:
„Hast du was zu essen für uns? Wir helfen dir auch?“
„Kommt rein“, antwortete Johannes ohne groß zu überlegen.
Er hat noch Reste vom Vortag, Reis mit Gemüse und pojo.
Die beiden Jungen verschlangen die Mahlzeit in Windes Eile. Sie musste schon länger nicht zu sich genommen haben. Den frischen jugo natural schütteten sie in sich hinein, als seinen sie kurz vor dem Verdursten.
„Da bin ich ja zur rechten Zeit auf die Straße gekommen. Was treibt ihr hier?“
„Ach, wir sind nur so unterwegs. Schauen mal hier mal dort… und bleiben wo es uns gerade gefällt.“
Der Ältere grinste leicht verschmitzt bei seiner Antwort.
„So, so… und woher seit ihr?“
„Ach, das Dorf kennst du eh nicht. Es ist ziemlich weit weg.“
„Du willst mir sagen, ihr seit schon länger unterwegs.“
„Kann man so sagen. Wir haben aufgehört die Tage zu zählen.“
„Seit ihr von Zuhause weggelaufen?“
„Nicht ganz. Nein, eigentlich gar nicht… geflüchtet, könnte man eher sagen.“
„Vor was?“
„Vor der Guerilla. Die Schweine haben unser Haus überfallen. Wir beiden haben auf von einem Baum aus alles beobachtet. Zum Glück hat uns niemand gesehen… aber, was wir gesehen haben, dass war furchtbar…“
Der ältere Junge machte eine Pause und fuhr dann fort.
„Sie haben alle getötet, Vater, Mutter und unsere ältere Schwester. Unseren Bruder, der eigentlich nur zu Besuch war, er ist schon vierundzwanzig, den haben sie mitgenommen.“
„Und als die Guerilla weg war, das seit ihr einfach…“
„… weggelaufen. Wir hatten so große Angst, dass sie nochmals wiederkommen, uns finden und dann auch töten würden.
„Das kann ich verstehen.“
Am liebsten hätte er sie einfach in den Arm genommen. Er wollte jedoch nichts riskieren. Beiden Jungen schienen sehr traumatisiert. Johannes versucht die Spannung etwas zu lösen.
„Möchtet ihr noch ein Stück Ananas zum Nachtisch.“
„Au ja“, sagte der Jüngere.
Die Stimme des klang für sein Alter sehr dunkel, fast schon erwachsen.
„Nun sagt mir mal eure Namen! Ich bin übrigens Johannes.“
„Ich bin Felipe und das ist mein Bruder Juan“, sagte der Ältere.
Von diesem Tag an blieben die beiden bei ihm.
Juan und Felipe halfen bei der Renovierung des Hauses. Es schien, dass sie mit jedem Stein, mit allem was sie an Schutt und Unrat aus dem Hause trugen, etwas von ihrer Traurigkeit, Ihrem Schmerz, ihren Verletzungen hinaustrugen.
Es waren Tage und Wochen, in denen die Sonne fast unablässig schien.
Die Seelen der Jungen hellten sich von Tag zu Tag mehr und mehr auf.
Es wurde viel gelacht. Johannes konnte sich nicht erinnern, je zuvor in seinem Leben so viel gelacht zu haben. Felipe und er lagen oft am Boden des Patio, hielten sich die Bäuche und schnappten nach Luft, während Juan, weiter feixte, Grimassen zog und sich auf seine, unvergleichbare Weise bewegte. Sein Körper schien aus Gummi zu sein. Seine Bewegungen ließen ihn über allem schweben.
Wirklich, fragte sich Johannes manches Mal. War es möglich, das einmal Erlebte, alle Grausamkeit, alles Traumatische gleichsam in eine Bewegung aufzunehmen und hinwegzutragen.