Der lachende Vogel III,XI

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Johannes sah starr vor sich hin. Es schien, als sei sein Blick ganz nach innen gerichtet.

„Für mich ist das, was ich hier für die Kinder tun kann, etwas ganz Besonderes und Kostbares.“

„Dein unverwechselbarer Beitrag zum Verlauf der Geschichte?“

„Könnte man so sagen. Du erinnerst dich, wie wir vor einiger Zeit über Resonanz unterhalten haben, das heißt ich dir gesagt habe, wie wichtig sie mir ist.“

„Du wolltest dich nicht mit Menschen umgeben, mit denen du nicht auf einer Wellenlänge bist. “

„Genau.“

„Man könnte auch sagen, aus einer Quelle seine Kraft und Lebensenergie schöpfe… Lange habe ich gedacht, der Glaube sei etwas, was uns Menschen verbinde. Im Laufe meines Lebens und im Laufe der Jahre als Prior im Kloster habe ich jedoch feststellen müssen, dass Menschen, doch im Glauben an Gott höchst Unterschiedliches suchen. Die Einen suchen Halt, quasi eine omnipotente Macht, die in allen Lebenslagen hilft und ihnen zur Seite steht. Andere sehen im Glauben den Aufruf zu humanem Handeln schlechthin. Wieder Andere haben in Jesus das Vorbild in vielerlei Hinsicht gefunden. Nur wenige sehen in Gott aber die spirituelle Urkraft allen Seins, den Garanten dafür, dass es ein Morgen gibt, egal wie bestialisch sich das Heute noch gebärden mag. Die Kinder und mich verbindet genau diese Hoffnung, dass etwas mit und in uns den Lauf der Geschichte zum Guten, oder sollte ich sagen zum vorläufig Besseren voran treibt. Das heißt jeden Tag neu an etwas zu glauben, auf etwas zu hoffen, etwas zu erwarten, was wieder alles Bisherige gesteht… und das mit ganz viel Liebe zu sich selbst, zum anderen und zum Leben im Allgemeinen und Speziellen.“

„Das ist nicht leicht und doch wert täglich angestrebt zu werden.“

„Es ist umso schwerer, als viele Menschen heute vor allem eines im Blick haben. Sie bleiben auf der Suche nach ihrer Identität, dem Wunsch sich selbst zu finden, allein auf sich bezogen. Sie wenden sich von allem ab, was sie als in Beziehungen lebende Wesen erkennbar werden lässt. Die Erkenntnis, sich selbst in einem Du zu finden, scheint überkommen.“

„Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Begegnung mit einem Gegenüber euch nicht verändert. Was kann also mit Identität gemeint sein, wenn es an Konstanz fehlt?“

„So ist es. Es kann niemand sagen, er sei nach der Begegnung mit einem Du immer noch derselbe. Nicht nur Lebensumstände haben Einfluss auf unser Ich. Es ist vor allem ein Du, dass uns herausfordert, anregt und Ende seine Spuren in uns hinterlässt.“

„Und wenn wir Gott als spirituelles Du betrachten?“

„Durch die spirituelle Kraft Gottes, die den Menschen erfasst, wird dieser auf eine Art Umlaufbahn gebracht, die er aus sich heraus nie erreicht hätte. So wie uns jedes Du in ein anderes Sein katapultiert.“

„Wie kann es dann Zweibeiner unter euch geben, die auf sich gestellt sich selbst finden und leben wollen.“

„Ich weiß es auch nicht.“

Johannes schüttelte einige Augenblicke vehement seinen Kopf.

„Die Kinder haben dies bereits erkannt… vielleicht nur vorbewusst. Dies spielt im Grunde aber keine Rolle. Sie schaffen es jeden Tag, trotz der nächtlichen Bilder, ich will es mal so sagen, flexibel zu bleiben. Sie winden sich geschmeidig auch aus den täglichen Erschütterungen. Dabei ist die Gemeinschaft, das Du, das wir einander gegenseitig sind, überlebensnotwendig. Das Du ist wie ein Schlüssel. Das Du öffnet die Tür zum eigenen Ich und zur Fülle des Lebens. Vor einiger Zeit sagte Luz bei der abendlichen Runde: Was wäre ich nur ohne euch?! Eine Frage, die die Antwort in sich trägt, oft gesagt wird… fast schon zu trivial ist, um es immer neu zu sagen…

„Wirklich?“