Ich lausche dem Feuer des Herzens IV

OhneTitel

In der folgenden Stunde wurde der Wundschmerz der Blase unter seiner Fußsohle unerträglich. Irgendwann blieb es zurück und setze sich am Wegrand nieder. Er löste die Schnürsenkel, zog den Socken aus und betrachtete mit schmerzverzerrtem Gesicht die münzgroße Blutblase.
Der Alte stand vor ihm, griff in die Satteltasche und holte ein kleines Bündel hervor. Er breitete es auf dem Boden aus und nahm eine verrostete Nadel in die Hand.
Abwehrend und mit flehenden Blick hob er die Hand, aber schon hatte sich der Alter vorgebeugt, sein Bein gepackt, hielt es mit festem Griff leicht verdreht, so dass jede Gegenwehr zwecklos schien, und stach ohne jede Vorankündigung einfach zu. Ihm wurde schwarz vor Augen. Der Alte gab ihm eine Ohrfeige, während die Blutblase sich in einem winzigen Rinnsal auf den staubigen Weg entleerte. Benommen nahm er alles um sich herum nur durch einen Schleier wahr.
Als der Alte sich erneut zu ihm herunterbeugte, war seine Willenskraft bereits gebrochen. Er fühlte sich wie ein zu Boden gestrecktes Stück Wild und war bereit, sich der Ausweidung seines Körpers zu überlassen. In der Hoffnung alles um sich herum zu vergessen, schloss er die Augen. Ein neuer bis ins Mark gehender Schmerz ließ ihn wieder zu sich kommen. Durch einen Augenspalt erkannte er, wie der Alte sich mit einer ebenfalls verrosteten Schere heranmachte, die entleerte Blase mit einem flinken und geübten Schnitt zu entfernen. Er stieß einen Schrei aus und schlug mit der Faust mehrmals auf den Boden, solange bis sein Handgelenk schmerzte und sich einige kleine Kiesel tief in seinen Handballen gebohrt hatten. Der eine Schmerz konnte den anderen nicht überdecken.
Im nächsten Moment rüttelte der Alte an ihm und forderte ihn aufzustehen. ›Mehr nicht!?‹, sagte er sich. Ohne jede Reaktion abzuwarten, zog er gewaltsam an seinem Arm und deutete ihm an, nachdem er schwankend auf einem Bein stand, den Arm um seine Schulter zu legen. Mit der freien Hand öffnete er ihm die Hose, griff ohne jede Scham in sie hinein und beförderte sein Glied zum Vorschein. Die Verwirrung über das, was geschah, war kaum noch zu überbieten. Nicht direkt begriff er, was der Alte als nächstes im Sinn hatte. Mit einer eindeutigen Handbewegung gab er ihm zu verstehen, er solle auf den verwundeten Fuß pinkeln.
Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit bis ein Schwall sich über seinem Fuß ergoss. Sogleich spürte er einen stechenden Schmerz. Der Alte ließ von ihm ab. Er konnte sich nicht halten und stürzte zu Boden. Mit großer Anstrengung konnte er gerade noch verhindern, dass der Fuß im Dreck landete.
Kaum war er etwas zu Atem gekommen, ergriff der Alte ein weiteres Mal sein Bein, hielt es mit festem Druck fest und öffnete geschickt mit der freien Hand eine kleine Plastikdose.
Der Gestank, der sich sogleich ausbreitete, war bestialisch. Angewidert wandte er sich würgend ab. Als er wieder hinsah, konnte er sehen, wie der Alte eine erdige Paste aus der Dose fingerte und diese mit flinken Bewegungen auf seiner Wunde verteilte.

›Wie kann etwas, das so stinkt, solche Wirkung entfalten?‹, fragte es sich am Abend, als beide am Feuer saßen. Der Alte lachte ihn vielsagend an und nickte einige Male mit dem Kopf. Erstaunlicherweise verspürte er keinen Schmerz mehr, hoffte für die Nacht, kein Wundfieber zu bekommen.
Er konnte sich nicht erinnern je solche Schmerzen gehabt zu haben. Die Scham über das, was geschehen war ihm noch ins Gesicht geschrieben. Der Alte reichte ihm einen Becher gefüllt mit Schnaps. Es war bereits der Dritte. Benommen nahm er den Becher entgegen und kippte ihn mit einem Zug in sich hinein.
Noch konnte er keine Freude über den überstandenen Schmerz empfinden. Zu tief war er ihm in die Glieder gefahren. ›Was für ein erster Tag‹, dachte er, als ihm die Augen zufielen und er in einen tiefen Schlaf fiel.