Frida, ich habe dich nochmals zu mir gerufen, weil Alwine mir von eurem Gespräch erzählt hat. Sie erwarten aber jetzt nicht, dass ich erfreut darüber bin?! Der stete Austausch mit Alwine ist sehr wichtig. Schließlich geht es darum, dir so gut und umfassend wie möglich helfen zu können. Dann sorgen Sie bitte dafür, dass diese Stimme aus meinem Kopf verschwindet. Ich habe das Gefühl, jeden Moment drehe ich durch. Kann man dagegen nichts machen? Vielleicht gibt es ja doch eine passende Pille für mich. Du weißt, was ich davon halte. Ich nicke resigniert. Gibt es denn gar nichts? Ich halte das nicht mehr lange aus. Frida, vertrau dir. Lass dich von dieser Stimme nicht in die Irre führen. Ihre Macht ist begrenzt. Das, was ich mitbekomme, reicht mir längst. Was hältst du davon, wenn wir ihr, also deiner inneren Stimme, einen Namen geben? Ich schüttle den Kopf. Rot. Genial, wirklich. Was versprechen Sie sich davon? Es wäre eine Art aktiv mit dem Umstand umzugehen, dass es sie gibt. Sie halten mich also auch für durchgedreht? Frida, die Frage stellt sich nicht. Und diese Beschreibung bringt uns auch nicht weiter. Mögen andere dazu greifen, ich habe Worte wie durchgedreht, nicht bei Sinnen oder verrückt aus meinem Sprachgebrauch getilgt. Aber das ist doch hier eine Anstalt für Verrückte?! Ich würde höchstens sagen, ein Ort, wo Menschen, in deren Leben sich etwas ver-rückt hat, Orientierung finden. Darum scheint es mir wichtig, wenn wir uns deiner inneren Stimme bedienen, sie reden zu lassen, weil sie uns dabei hilft, das zu verstehen, was sich in deinem Leben ver-rückt hat. Die Frage ist damit nicht, ob du unter Wahnvorstellungen leidest, dir gar unvorstellbare Dinge einbildest, sondern was dir der für dich als real erlebte Wahn zu sagen hat. Etwas, was du für dich als sehr unangenehm erlebst, hat Gestalt gewonnen und in dieser Gestalt, von dir als innerer Stimme wahrgenommenen, ist sie in Kontakt mit dir getreten. Sei also froh, dass sie mit dir redet. Also, welchen Namen willst du dieser Stimme geben? Merlin! Sieh an. Die Stimme eines Zauberers. Vielleicht ist das, was er zu sagen hat, ja doch nicht so abwegig. Mögen seine Worte dich erleuchten! Jetzt machen Sie sich lustig über mich. Nein, ich bin sicher, Merlin wird uns wirklich gute Dienste leisten. Er wird uns helfen zu erfassen und zu verstehen, was sich so nachhaltig bei dir eingeschlichen hat. Eingeschlichen? Ich gehe davon aus, dass du das, was dir heute das Leben beschwert, nicht eingeladen hast, in dir sein Unwesen zu treiben. Es hat sich eingeschlichen. Du wurdest unfreiwillig mit etwas konfrontiert, was dir seitdem nicht mehr aus dem Sinn geht, wenngleich du bis heute keine klare Sicht darauf hast, noch sagen kannst, worin das, was ich Trauma nennen würde, besteht. Ich sag jetzt einfach ja und bin gespannt auf das weitere Wirken Merlins. So zauberhaft war es bisher nicht. Warte ab und lass dich überraschen! Frau Doktor sieht mich forschend an. Nun erzähl mir doch, wie dein letzter Disput mit Merlin war! Disput? Gespräch, oder besser Streitgespräch. Streitgespräch passt gut. Er wollte mir nahe legen … Hier unterbreche ich und denke an Merlins Worte. Sprich weiter! Merlin erwartet von mir, dass ich die Gespräche mit Ihnen beende. Meldet er sich gerade zu Wort? Nein. Das ist ein gutes Zeichen und könnte dir zeigen, dass seine Möglichkeiten auch nur begrenzt sind. Womit hat er seine Forderung begründet? Er sprach davon, die Dinge ruhen zu lassen, weil es ohnehin nicht möglich sei, etwas an ihnen zu ändern. Glaubst du ihm? Ich weiß es nicht. Eher nicht. Ich habe ihm auch klar und deutlich gesagt, dass ich darauf nicht eingehen werde. Und womit hat er seine Meinung begründet? Er meinte, dass ich nur so meinen inneren Frieden finden könne. Merlin ist also um deinen innern Frieden bemüht. Das hört sich gar nicht so schlecht an. Wollen wir seinen Einwand als positiv bewerten. Was ist daran positiv? Rot. Mir wird heiß. Was ist mir dir Frida? Die Hitze kommt wieder. Mir wird übel. Was dein Körper dir gerade zeigt, braucht dir keine Angst zu machen. Sie haben gut reden. Was ich fühle, ist sehr unangenehm. Feuriges Rot. Mir bleibt der Atem weg. Vergiss nicht, bewusst zu atmen! Auch wenn Merlin anderer Meinung ist, ich traue dir zu, dem Trauma ins Angesicht zu schauen. Wenn ich wüsste, worin es besteht, dann ginge es mir besser. Nicht so ungeduldig. Es wird sich zeigen. Warum sind sie so sicher, dass es nichts mit meinem Vater zu tun hat. Ich fühle etwas anderes. Meine Intuition sagt mir, dass da mehr ist. Deine bisherige Sicht auf die Dinge deiner Vergangenheit, dies ist nicht zu leugnen, hat nicht dazu geführt, inneren Frieden zu finden. Deine Sehnsucht nach dem Tod entfaltet immer noch ihre Kraft. Auch darüber hat Alwine mit Ihnen gesprochen. Nochmals, das muss so sein. Also nimm es ihr nicht übel. Etwas in dir will alles hinter sich lassen und wenn nötig mit den äußerten Mitteln. Und hier hat Merlin eingehakt. Er will wie ich, dass du lebst. Wenngleich ist der Preis, den er dir anbietet, für mich nicht akzeptabel. Ich kenne niemanden, der mit seinem Trauma glücklich geworden ist. Sie meine, Merlin glaubt nicht daran, dass ich mein Trauma je überwinden kann. Die Vorstellung … Schwarz. Der Boden wird mir unter den Füßen entzogen. Ich beginne zu fallen. Frida, steh auf! Spüre, wie du ganz fest mit beiden Füßen auf dem Boden stehst! Ich folge ihrer Anweisung und erhebe mich. Das Schwarz schwindet. Merlin weiß es nicht besser und darum muss er dich immer wieder attackieren. Er ist in Sorge um dich. Deuten wir doch seine Sorge als Einsicht. Einsicht? Als eine Sicht, die nicht mehr sagt als: Du bist noch nicht soweit. Ich weiß im Gegensatz zu Merlin, dass der Zeitpunkt kommen wird. Darum rate ich dir auch, noch etwas Geduld mit dir zu haben. Und woher nehmen Sie Ihre Gewissheit? Ich fühle es. Was ich bei dir wahrnehme und meine Erfahrung mit anderen Patienten sagt mir, dass es so sein wird. Mein Verstand meldet sich. Will mir sagen, dass ich nicht sicher sein kann. Helles Weiß. Die Aussicht, es könnte so sein, will ich als Lichtschimmer am Horizont meines inneren Abgrundes betrachten. Leben, alles Leben, auch deines, entfaltet sich zum Leben hin. Wenn dies nicht so wäre, würde ich längst hier nicht mehr arbeiten. Ich schaue auf und blicke in ihre Augen. Tiefes Blau durchzogen mit grünen Punkten. Ein Flackern. Sie lebt, denke ich. Und ich will es auch.