Wir erinnern uns. Viele Streifenhörnchenfamilien waren auf der Flucht aus dem Nachbarwald gekommen. Nicht wie sonst vor dem langen und harten Winter sind die Vorratskammern der Streifenhörnchen gut gefüllt. Schon vor Winteranbruch musste man an die Vorräte gehen. Hinzu kommt, dass neuerdings einige Wölfe am Rande des Waldes gesichtet wurden. Der Winter naht und die Situation im Wald spitzt sich zu.
Vor Lupo hat keiner mehr Angst. Der gehört schon irgendwie zur Familie der Streifenhörnchen.
Eines Mittags ziehen Lupo und Trixi auf dem Heimweg von der Streifenhörnchenschule nach Hause durch den Wald. Sie sind irgendwie traurig.
„Glaubst du, die Wölfe dringen bald schon in unseren Wald ein?“, fragt Trixi besorgt.
„Ich weiß es nicht so recht. Ich war ja auch mal gefährlich und ihr hattet allen Grund, Angst vor mir zu haben. Nun bin ich aber ein harmloser Vegetarier geworden. Keiner hat mehr Angst vor mir.“
Lupo machte eine Pause. Trixi sah ihn fragend an.
„Nun sag schon, was ist los?“
„Ich hoffe nur, dass man mich nicht wieder fortschickt, nur weil einige immer noch glauben, ich sei gefährlich.“
Trixi stellt sich Lupo in den Weg.
„Das wollen wir mal sehen?“
„Was?“
Erschreckt drehen sich beide um. Eine Stimme war laut und deutlich hinter ihnen erklungen.
„Ach, du, Meister Waschbär!“, erklärt Trixi mit leicht piepsiger Stimme.
„Seid gegrüßt, ihr beiden! Was ist los? Was wird man sehen!?“
„Hast du noch nicht davon gehört“, beginnt Lupo zu antworten. „Alle haben Angst, dass in kürze hungrigen Wölfe über uns herfallen.“
„Aber doch nicht in dieser Zeit. Wir haben doch bald Weihnachten.“
„Weihnachten?!“ Lupo kann nicht glauben, was er da hört. „Was hat den das mit Weihnachten zu tun. Glaubst du ein hungriger Wolf lässt sich davon abhalten?“
„Du bist doch auch ein Wolf“, entgegnet Meister Waschbär.
„Ja, aber ich war früher auch anders.“
„Du glaubst also nicht, dass deine Artverwandten sich auch ändern können?“
„Ehrlich gesagt, nein.“
„Was hat dich den damals zum Umdenken gebracht?“
„Nun ja, in erster Linie, das, was mir Trixi von Gott erzählt hat.“
„Und?!“
„Wie, und?!“
„Warum macht ihr nicht Gleiches?“
Lupo schaut Trixi fragend an.
„Trixi, nun sag du doch auch einmal etwas.“
„Vielleicht hat Meister Waschbär ja Recht.”
„Ich mache mich doch nicht zum Affen, äähh, Wolf. Die anderen Wölfe werden mich auslachen. In den Nachbarwäldern gehen schon allerlei Gerüchte über meinen Lebenswandel. Manche behaupten sogar, ich sei gar kein Wolf mehr, sondern habe mich zum Streifenhörnchen umoperieren lassen.“
„So ein Quatsch!“
Meister Waschbär ist empört.
„Nur weil du deinen Lebenswandel verändert hast, keine Gefahr für andere Tiere mehr darstellst, bist du doch immer ein Wolf.“
„Wirklich?!“
Lupo scheint irgendwie erleichtert.
„Manchmal, wenn ich morgens vor dem Spiegel stehen und mein Fell kämme habe ich schon gedacht, dass etwas mit mir nicht stimmt.“
„Ich habe eine Idee“, wirft Trixi ein.
„Welche?“, fragen Lupo und Meister Waschbär im Chor.
„Nun ja, wir gehen an den Waldrand und warten darauf, dass die Wölfe sich zeigen.“
„Und dann?“
Lupo schaut sehr erstaunt. Er ist gespannt, was jetzt kommt.
„Ja, dann sprechen wir mit den Wölfen und erzählen ihnen von Weihnachten.“
„Von Weihnachten?!“
Lupo kann nicht glauben, was er da gerade hört.
„Also“, beginnt Trixi von neuem, „Weihnachten ist doch ein großes Fest. Wir freuen uns, dass wir mit einander Feiern können. Und schon in den Wochen davor ist die Vorfreude groß. Einige Familien besuchen sich und laden sich gegenseitig ein. Ich schlage vor, wir laden die Wölfe in den folgenden Tagen ein und warten ab, was passiert.“
„Vielleicht kann dies ja gelingen. Immerhin ist es ein Versuch wert und meine Artgenossen verstehen am Ende sogar, warum ich meine Gewohnheiten geändert habe.“
„Ganz bestimmt!“
Meist Waschbär ist schier begeistert über Trixis Idee und ergänzt:
„Es wird Zeit, was Weihnachten wieder zu dem wird, was es mal war.“
„Nämlich?“
Lupo scheint immer noch etwas skeptisch zu sein.
„Zu Weihnachten und in der Zeit davor können wir uns darauf besinnen, was wirklich wichtig ist im Leben. Die Wölfe zum Beispiel werden schnell merken, wie wichtig und kostbar Frieden und Freundschaft sind.“
Da hatten Trixi und Lupo nichts mehr einzuwenden.
Guten Mutes machten sie sich am nächsten Tag gleich auf den Weg zum Waldrand.