Mathematik für Schlaue

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1 + 1 = 7

Irgendwo in der Weite des Waldes Leben das flinke Streifenhörnchen Trixi und der von allen gefürchtete Wolf Lupo.

Trixi kommt gerade von der Streifenhörnchenschule und ist auf dem Weg nach Hause. Plötzlich hört es im Unterholz ein lautes Knacken. Es erschrickt und muss gleich an das denken, was ihm seine Mutter heute Morgen noch gesagt hat:

„Pass auf mein Kind, seit einigen Tagen ist der böse Wolf wieder in unserem Wald.“

Trixi schaut sich ängstlich um. Und da ist es auch schon. Lupo fletscht seine Zähne. Trixi versucht sich schnell hinter einem Baum zu verstecken, aber Lupo hat es schon gesehen.

„Komm her mein Kleiner, ich habe noch nicht gefrühstückt.“

„Nein, werde ich nicht. Wenn du mich nicht in Ruhe lässt, klettere ich flink auf den nächsten Baum und dann kannst du lange warten.“

„Du auch. Denn irgendwann musst du ja wieder runter kommen.“

Lupo geht auf Trixi zu. Er springt schnell auf den nächsten Baum und ist bald schon nicht mehr erreichbar.

Dabei fällt Trixi die große Schultafel aus dem Schulranzen, den er auf dem Rücken hat und der mächtig schwer ist.

Die Tafel fällt Lupo direkt vor die Füße. Irritiert schaut er sich das schwarze Ding an.

„Was ist denn das?“, will er sogleich wissen.

„Das geht dich gar nichts an.“

„Nun sag schon!“

„Das ist meine Tafel, heute hatten wir in der Schule Rechnen.“

„Wozu soll das schon gut sein. Die kann ich auch so fressen.“

„Kann sein, aber so schlau bist du eh nicht.“

„Wird nicht frech mein Kleiner, sonst komme ich dir hinterher.“

„Versuch es doch.“

Lupo schaut auf die Tafel und beginnt zu lesen. Trixi ist etwas verwundert, denn er hat noch nie einen Wolf gesehen, der lesen kann. Lupo steigt etwas in seiner Achtung.

„So ein Quatsch!“, schreit Lupo. „1+1=2 und nicht 7. Was habt ihr nur für einen schlechten Lehrer.“

„Gar nicht. Siehst du, ich sagte es doch: Du bist einfach zu dumm. Tieren auflauern und sie fressen kann jeder.“

Lupo ist mit einem Mal seltsam berührt. Er schweigt.

„Sieh mal. Natürlich ist in der einfachen Mathematik 1+1=2. Aber in der Mathematik für Schlaue eben nicht.“

„Verstehe ich nicht“, sagt Lupo und schüttelt den Kopf.

„Sieh mal. Aber zum besseren erklären muss ich runter kommen. Du darfst mir aber nichts zufügen.“

„In Ordnung, komm nur runter.“

„Ehrlich?“

„Ehrlich!“

Trixi kommt etwas ängstlich vom Baum herunter und baut sich vor Lupo auf.

„Also, ich will dir alles mal mit einem Beispiel erklären.“

„Du hast doch zwei Eltern, nicht wahr?“

„Du nicht? Was für eine Frage.“

„Gut… sagen wir es mal so: Deine Eltern haben dich auf die Welt gebracht, also ein Mutterwolf und ein Vaterwolf.“

„Was soll der Unsinn?“

„Warte ab! Du bist aber nicht einfach die Summe deiner Eltern, sondern etwas Einzigartiges und ein ganz besonderer Wolf.“

Lupo richtet sich auf und man merkt wie ihn die Worte Trixis erfreuen.

Trixi nickt zufrieden.

„Ja, du bist ein ganz besonderer Wolf. Dich gibt es nur ein Mal. Wenn 1+1 wirklich 2 wären, könnten deinen Eltern jederzeit wieder jemanden zeugen, der dir gleich ist.“

„Das will ich nicht. Ich will lieber einzigartig sein.“

Eine Weile schweigen sich Lupo und Trixi an. Trixi sieht den großen Wolf an und denkt: Irgendwie ist er doch ganz nett.

„Soll ich dir noch etwas erzählen?“

„Gerne.“

„Also heute hatten wir noch Religion.“

„Was ist denn das nun schon wieder?“

„Nun ja, ein ganz besonderes Fach und ich mag es sehr. Heute haben wir darüber gesprochen, dass wir für Gott…“, weiter kommt Trixi nicht.

„Pah, du glaubst doch nicht an solchen Quatsch!?“

„Jetzt hör doch erst mal zu, dann kannst du dich ja immer noch aufregen… also für Gott sind wir, jeder von uns, etwas ganz Besonderes. Er mag uns sehr und will, dass es uns allen gut geht… und darum will er auch, dass du mich in Ruhe lässt. Mein Gott kennt mich durch und durch. Gerade sieht er auch dich.“

„Wirklich… und ich bin ihm auch wichtig?!“

„Sicher, was denkst du!?“

Lupo scheint sehr berührt von den Worten Trixis zu sein, ihm kullert eine dicke Träne aus dem Auge.

„Und noch eins… Eigentlich sind wir ja Feinde… wir passen nicht zusammen… du bist groß und ich bin klein… und im Grunde hast du nur eins im Sinn: Du willst mich fressen.“

„Will ich doch gar nicht mehr!“, sagt Lupo kleinlaut.

„Ja… das ist auch Mathematik für Schlaue… muss ich Morgen gleich meinem Lehrer erzählen. Er wird staunen.“

„Ich glaube ich verstehe wieder nichts.“

„Nun ja, man müsste ja annehmen, dass klar ist, was geschieht, wenn Wolf und Streifenhörnchen sich begegnen. Aber sieh an, plötzlich passiert etwas Unerwartetes.“

„Du hast Recht… ich habe gar keinen Appetit mehr auf dich. Willst du mein Freund werden?“

„Gerne! Und Morgen nehme ich dich mit in die Schule. Das wird etwas geben. Ein Wolf in der Streifenhörnchenschule.“

„Ja, gerne… und zu Religion möchte ich auch mit… ich möchte noch mehr so schöne Dinge über Gott hören.“

„Sollst du!“

Zum Abschied reichen sich beide die Vorderpfote. Innerlich muss Lupo schmunzeln. Was für eine Kleine Pfote in seiner großen Pranke. Aber war für ein großes Herz Trixi doch hat.

(Familiengottesdienst San Mateo 06.09.2015)