Genesis 3
9 Und Gott der HERR rief Adam und sprach zu ihm: Wo bist du? 10 Und er sprach: Ich hörte dich im Garten und fürchtete mich; denn ich bin nackt, darum versteckte ich mich. 11 Und er sprach: Wer hat dir gesagt, dass du nackt bist? Hast du gegessen von dem Baum, von dem ich dir gebot, du solltest nicht davon essen? 12 Da sprach Adam: Die Frau, die du mir zugesellt hast, gab mir von dem Baum und ich aß. 13 Da sprach Gott der HERR zur Frau: Warum hast du das getan? Die Frau sprach: Die Schlange betrog mich, sodass ich aß. 22 Und Gott der HERR sprach: Siehe, der Mensch ist geworden wie unsereiner und weiß, was gut und böse ist. Nun aber, dass er nur nicht ausstrecke seine Hand und nehme auch von dem Baum des Lebens und esse und lebe ewiglich! 23 Da wies ihn Gott der HERR aus dem Garten Eden, dass er die Erde bebaute, von der er genommen war. 24 Und er trieb den Menschen hinaus.
Liebe Gemeinde,
was tun wir, vielleicht nicht jede und jeder, aber doch immer mehr, was tun wir, wenn wir eine Antwort auf eine der zahlreichen Fragen, die uns spontan heimsuchen, finden wollen? Wir googeln, wir schauen ins Internet.
Mein Begriff, den ich in’s Suchfeld meiner Suchmaschine eintippte war Sündenfall. Interessiert habe ich in einige Videos hineingesehen.
Zunächst war da jemand, der mir an Hand des Sündenfalls erklärte, wie das Böse durch den gefallenen Engel Luzifer in die Welt gekommen sei. Er verführte die Schlange und die darauf Eva. Der Rest ist uns bekannt. Luzifer wohne bis heute in der Hölle und ziehe Menschen in seinen Bann. Das Gute sei aber, dass uns Gott mit Jesus einen Weg zur Erlösung geebnet habe. Am Ende, wenn Jesus wiederkommen werde, sei alles gut und wer sich zu ihm bekannt habe, werde mit ihm im Himmel sein können, auf ewig.
In einem anderen Video wurde mir der biblische Text in zeitgemäßer Sprache einfach pathetisch vorgelesen. Die Bibel muss einfach gehört werden. Sie erklärt sich von selbst.
Schließlich fand ich ein Zwiegespräch zwischen zwei Pfarrerstöchtern. Sie stellen fest, dass Eva dem Adam keinen Apfel gab, ohne sagen zu können, von welcher Frucht beide kosten. Gott, der das gar nicht gut findet ruft: „Hallo, wo seit ihr denn. Komm mal raus!“ Im weiteren Gespräch fallen noch Sätze wie „Adam, der alte Feigling“ weist alle Verantwortung von sich und beschuldigt Eva.
Wenig schlauer beende ich meine Recherche.
In vielen bildlichen Darstellungen des Sündenfalls reicht Eva dem Adam den Apfel, der keiner war. Aber das soll nebensächlich bleiben. Manchmal sehen wir wie bei Hieronymus Bosch gezeigt, wie der Teufel selbst den Apfel Eva reicht und diese ihn dann an Adam weitergibt.
Schließlich zieht ein Bild des deutschen Malers und Zeichners Wilhelm Dürr meine Aufmerksamkeit auf sich. Wie in der Geschichte vom Sündenfall, wo viele bis heute bereits bei dem Wort zu wissen glaubten, was sich dahinter verbirgt, wie diese Geschichte aus dem Beginn der Bibel zu verstehen ist, hält der Künstler sich auffällig zurück. Im Hintergrund sind zwei Bäume abgebildet. Im Vordergrund zwei nackte Personen. Ihre Körper sind verschwommen dargestellt. Wir müssen genau hinsehen, um Adam bzw. Eva auszumachen. Zwei Arme begegnen sich in der Luft. Eine Frucht, sie ist nicht wirklich zu erkennen.
https://www.sammlung.pinakothek.de/de/artist/wilhelm-duerr-d-j/suendenfall
Wer sich entschuldigt verrät sich.
Kennen Sie das: Aus heiterem Himmel fängt unser Gegenüber an, sich zu entschuldigen. Wir brauchen eine ganze Weile, bis wir erahnen, was er meinen könnte. Und doch bleibt am Ende so manches eher nebulös.
Wer sich entschuldigt und dies noch von sich aus, der macht sich irgendwie verdächtig … uns wird am Ende, vielleicht nur, weil er jede Schuld von sich weisen wollte, schuldig gesprochen.
„Steh zu deinen Fehlern!“, habe ich früher gerne meinen Kindern gesagt.
Hätte Gott Adam und Eva aus dem Paradies vertrieben, wenn sie schlicht benannt hätten, was sie beide zum Essen der Frucht verlockt hat. Warum sie gekostet haben, obwohl sie um das Verbot wussten?
Diese Frage habe ich mir über die Jahre immer wieder gestellt. Manchmal, wenn es mir gelingt, mich ganz von der moralischen Seite der Geschichte zu lösen, dem Versuch den Anfang aller Sünde, die Ursünde also zu erklären, dann sage ich mir: Nein. Beide wären noch im Paradies. Denn das Böse schlummert ja nicht in der Erkenntnis.
Das Böse besteht doch eher in etwas anderem: In unserer Suche nach Erkenntnis greifen wir Menschen bis heute nach den letzten Dingen, wollen alles erklären, alles wissen. Hier wird Erkenntnis zur Macht, die mich über andere erhöht. Diese Erkenntnis ist anderer Natur, als das Verstehen, warum ein Blatt wächst oder der Mond im Verlauf des Monats sein Aussehen verändern. Sie hält Gott im tiefsten Grunde für eine Illusion. Ein Fortschreiten der menschlichen Erkenntnisse wird ihn auf Dauer für überflüssig erklären, in den Bereich der vorzeitlichen Magie abtun.
Jeder, der versucht, sich durch untermauerte Erkenntnisse und Theorien über andere zu erheben, kann Menschen, die einfache Antworten suchen zwar gefallen. Er wird aber immer der Hybris eines fein formulierten Ismus anheimfallen.
Sünde heißt von je hier nichts anderes als, sich abzusondern. Eine Erkenntnis, die glaubt, sich Gottes, jener anderen Wirklichkeit, die unser Sein ausmacht und bestimmt, entledigen zu können, der lebt jene Ursünde aus, die in der Geschichte von Adam und Eva beschrieben ist.
Erkenntnisse sind und waren in der Menschheitsgeschichte wichtig. Sie haben, mit allen zum Teil üblen Begleiterscheinungen, die Menschen in ihrer Entwicklung vorangebracht.
Der Urgrund allen Seins, den wir Gott nennen, kann aber nicht erkannt werden. Er entzieht sich jeder Erkenntnis. Hier ist die eigentliche Sünde des Menschen begründet. Das Essen vom Baum der Erkenntnis suggeriert damals wie heute, wir könnten sein wie Gott und damit ohne ihn auskommen. Die Vertreibung aus dem Paradies war eine folgerichtige Konsequenz. Sie bejaht eine andere Urerkenntnis: Nur in einem, so möchte ich sagen, „paradiesischen Urzustand“ kann Gott erfahren werden.
Vermehrt suchen Menschen heute diese „paradiesische“ Umgebung des Anfangs. Viele gehen dazu in die Stille. Suchen bewusst die Abgeschiedenheit vom Lärm dieser Welt. Dort wollen sie Gott, den Urgrund allen Seins erfahren, etwas von der Ewigkeit spüren, die von je her in allem ist.
Wenn es in unserer Seele still wird, wenn unser Geist wie die Oberfläche des Wassers ruht, dann kann der Ewige sich zeigen. Dieses Schweigen vor und in Gott hat Jörg Zink mit wunderbaren Worten umschrieben:
Schweigen möchte ich Gott und auf dich warten.
Schweigen möchte ich, damit ich verstehe, was in der Welt geschieht.
Schweigen möchte ich, damit ich den Dingen nahe bin,
allen Geschöpfen und ihre Stimmen höre.
Ich möchte schweigen, damit ich unter den vielen Stimmen die deine höre.
Ich möchte schweigen und darüber staunen,
dass du für mich ein Wort hast.
Ich bin wert, dass du zu mir kommst, aber sprich nur ein Wort,
so wird meine Seele gesund.
(Jörg Zink, Unter dem großen Bogen, Stuttgart-Zürich 2001, S.182-83.)
In der Stille finden wir zurück zu Gott.
Ein Einwand mag sich hier rühren: Die Suche nach Eigenständigkeit ist doch eine natürliche Regung des Menschen. Im Abstand zu anderen finde ich mich sich selbst. Dies gilt nicht nur für Pubertierende auf dem Weg zu einer eigenen Identität. Es ist für uns alle eine notwendige Voraussetzung der persönlichen Entwicklung und Reifung. Gleichwohl, der um sich kreisende, seiner selbst allzu bewusste Mensch, kann sein Gegenüber nur erfahren – letztlich auch Gott – wenn er gleichzeitig von sich absehen kann. Wenn er auch darum weiß, dass er immer schon in einem größeren Zusammenhang existiert.
Weil das Leben mehr ist, als das, was wir erkennen und uns vorstellen können, ist das Miteinander mit einem Du heilsam, werden wir im Sein in der Natur, im Kontakt zu Gott zu jener anderen Wirklichkeit durchdringen, die wir uns selbst nie erschaffen können.
In der Stille vor einem Du, in der Stille vor der Magie der Natur und in der Stille vor Gott, der alles in allem ist, kann unsere Seele Frieden und Ruhe finden. Amen.
Nahbollenbach, 1. März 2020