Denn diese Völker, deren Land du einnehmen wirst, hören auf Zeichendeuter und Wahrsager; dir aber hat der HERR, dein Gott, so etwas verwehrt. 5. Mose 18,14 (Tageslosung 12.01.2019)
Liebe Gemeinde,
wenn wir die gewohnte Umgebung verlassen, gar wo anders ganz neu anfangen, mangelt es selten an guten Ratschlägen. Auch wenn unser Gegenüber darum weiß, dass er uns vor nichts beschützen kann, so ist alles, was er uns mit auf den Weg gibt in bester Absicht.
Jeder der anderen gute Ratschläge gibt, glaubt, diese würde den anderem vor unangenehmen Erfahrungen bewahren.
Kinder entgegnen ihren Eltern nicht selten darauf mit den Worten: Lasst mich doch in Ruhe mit euren Ratschlägen. Ich muss meine eigenen Erfahrungen machen. Recht habe sie, auch wenn es schwer fällt, dieses anzunehmen.
Kurz vor Einzug in das gelobte Land erhält Mose von Gott letzte Instruktionen. Gott, allzu menschlich dargestellt, kann nicht anders. Auch er befürchtet um das Schlimmste und muss sein Volk warnen.
Gebt acht vor dem, was euch erwarten wird!
Warum geht es? Mose wird vor der Macht der Wahrsager und Zeichendeuter gewarnt. Fürchtet Gott selbst so sehr um seinen Einfluss, dass er sein Volk warnen muss? Will oder kann er seinem Volk, dem Dank seiner Gegenwart die Flucht aus Ägypten und das Überleben der Wüstenzeit gelungen ist, einfach nicht über den Weg trauen? Oder zeigt diese Stelle doch eher die Handschrift eines um die Nachhaltigkeit ihres Volkes besorgten Führungskreises.
Als Eltern wissen wir, wie wenig eine in bester Absicht gefundenen Warnung Sinn macht. Allzu oft bewirkt sie gerade das Gegenteil. Besser geht es Eltern, wenn sie durch ihre Haltung ihren Kindern Vertrauen zeigen. Und dies trotz gemachter Erfahrungen, die allen Anlass zur neuerlichen Warnung geben.
Was für uns ausweglos scheinen mag, sollte Gott doch mit mehr Gelassenheit ertragen können, denke ich mir. Sollen Mose und sein Volk doch ihre Erfahrungen machen. Sollen sie doch auf Abwege kommen und sich von Wahrsagern und Zeichendeutern in die Irre führen lassen.
So fällt es mir ehrlich gesagt schwer, mir Gott in seinem allumfassenden Sein als jemanden vorzustellen, der dieses Sein durch listige Worte behaupten muss.
Eines scheint klar: Es geht offensichtlich um den Anspruch: „Ich bin der Herr dein Gott und du, d.h. ihr vom Volk Israel, sollt keine anderen Götter neben mir haben.“
Manchmal habe ich als Vater mein Vatersein heraufbeschworen: „Ich bin doch deine Vater!“, habe ich meinen Kindern fast schon empört entgegengehalten. Und in dem ich’s sagte mich gleichzeitig gefragt, „Warum sagst du das?“ Es ändert doch nichts an dem, was deine Kinder dir gerade zeigen, was sie sagen und zu tun im Begriff sind.
Ein um die Zukunft besorgtes Denken, kann bisweilen skurrile Züge annehmen. Eigenwillig und geradezu bizarre Gedanken verselbständige sich und treibe seltsame Früchte.
Würden diese Gedanken auch in unseren Köpfen spuken und ihr Unwesen treiben, wenn wir Vertrauen in die Zukunft hätten, Vertrauen in andere und in uns, dass wir gemeinsam diese Zukunft zum Besten aller gestalten können.
Im Zuge der geplanten Fusion gibt es ganz unterschiedliche Befürchtungen. Die Notwendigkeit zum Aufeinanderzugehen ist erkannt, die Suche nach einer neuen Form des Miteinanders auch, aber Bedenken bleiben: Werden wir von den anderen nicht über den Tisch gezogen? Werden in dem, was uns einmal ausgemacht hat, noch zu erkennen sein?
Wenn wir ehrlich sind, dann geht es uns, privat, in der Gemeinde und auch dem heute sehr vermenschlichten Gott, uns allen geht es gleich: Auf der Grundlage von vermeintlichen Erfahrungen, konstruieren wir einen heillosen Verlauf der Zukunft. Und obwohl wir im Grunde darum wissen, halten wir vehement an dieser Haltung fest.
Die Zukunft ist jedoch mehr als die Verlängerung einer wie auch immer gearteten Vergangenheit. Sie ist wie ein verheißenes und uns noch unbekanntes Land. In ihm werden wir immer wieder Menschen begegnen, die uns vom Ziel abbringen wollen, die gute Gründe anführen werden, das Eine zu lassen, das Andere zu tun. Versuchen wir nicht, ihnen aus dem Weg zu gehen. Stellen wir uns ihrer Sicht und auch ihren kritischen Äußerungen. Sie werden uns nicht vom Weg abbringen, sondern im Gegenteil sicherer machen in unseren Absichten und Zielen.
Kinder zeigen sich, wenn man ihnen nicht jede Entfaltungsabsichten nachhaltig ausgetrieben hat, mutig und entschlossen … und kurioserweise: Sie kehren zurück, wenn sie sich verlaufen haben. Sie wissen, wo sie hingehören und wo ihr Zuhause ist.
Für einen Augenblick halte ich inne und höre eine Stimme: „Steh auf, nimm deine Hoffnung und trage sie in die von dir erhoffte Zukunft!“
Und ich antworte dieser Stimme: „Ich werde aufbrechen. Nichts soll mich davon abbringen. Jeden Tag werde ich der vor mir liegenden Zukunft achtsam wie einem Vogel die Hand reichen.“ Amen.
Göttschied – Idar-Oberstein, 12.01.2019