Ich habe eine Vision

Römer 12

9 Die Liebe sei ohne Falsch. Hasst das Böse, hängt dem Guten an. 10 Die brüderliche Liebe untereinander sei herzlich. Einer komme dem andern mit Ehrerbietung zuvor. 11 Seid nicht träge in dem, was ihr tun sollt. Seid brennend im Geist. Dient dem Herrn. 12 Seid fröhlich in Hoffnung, geduldig in Trübsal, beharrlich im Gebet. 13 Nehmt euch der Nöte der Heiligen an. Übt Gastfreundschaft. 14 Segnet, die euch verfolgen; segnet, und verflucht sie nicht. 15 Freut euch mit den Fröhlichen, weint mit den Weinenden. 16 Seid eines Sinnes untereinander. Trachtet nicht nach hohen Dingen, sondern haltet euch zu den niedrigen. Haltet euch nicht selbst für klug. 17 Vergeltet niemandem Böses mit Bösem. Seid auf Gutes bedacht gegenüber jedermann. 18 Ist’s möglich, soviel an euch liegt, so habt mit allen Menschen Frieden. 19 Rächt euch nicht selbst, meine Lieben, sondern gebt Raum dem Zorn Gottes; denn es steht geschrieben : »Die Rache ist mein; ich will vergelten, spricht der Herr.« 20 Vielmehr, »wenn deinen Feind hungert, so gib ihm zu essen; dürstet ihn, so gib ihm zu trinken. Wenn du das tust, so wirst du feurige Kohlen auf sein Haupt sammeln«. 21 Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem.

Liebe Gemeinde,

Kennen Sie noch die Sendereihe „Papa, Charly hat gesagt“, die in den 70er Jahren im Hörfunk lief? Wunderbare Gespräche zwischen Vater und Sohn. Gespräche über Gott und die Welt.

Angenommen, sie würden sich immer noch unterhalten, was würde beim Gespräch über den heutigen Predigttext herauskommen? Hören wir doch einfach zu:

S: Papa!

V: Was ist denn? Du siehst doch, dass ich Zeitung lese.

S: Papa! Charlys Vater hat gesagt, du wärst…

V: Ich will es gar nicht wissen.

S: Dann eben nicht.

V: Nun sag schon.

S: Was?

V: Was hat Charlys Vater gesagt.

S: Was ist ein Gutmensch?

V: Ach so. Hat das Charlys Vater gesagt ich sei …?

S: Nein. Ich glaube es war sein Nachbar.

V: Und der hat was gesagt?

S: Na ja, den Gutmenschen hätten wir gerade zu verdanken, dass so viele hier wären, die eigentlich nicht hierhin gehören.

V: Ich verstehe nicht recht.

S: Du weist doch. Ich meine, die in der alten Schule sind.

V: Die Flüchtlinge?

S: Ja.

V: Und was hat das mit den Gutmenschen zu tun?

S. Das habe ich auch nicht so recht verstanden. Darum frage ich ja. 

V: Vielleicht will (der) Charlys Nachbar andeuten, dass es Menschen gibt, die für andere Menschen in Not da sind.

S: Pfarrer Gyso hat in der letzten Stunde gesagt: Täglich eine gute Tat. Darauf kommt es an.

V: Die alte Dame über die Straße bringen?!

S: So ungefähr. Oder jemandem bei den Hausaufgaben helfen.

V: Und weil so viele anderen bei den Hausaufgaben helfen, sind gerade zu viele Flüchtlinge hier?!

S: Papa. Jetzt übertreibst du.

V: Was dann? 

S: Woher soll ich das wissen. Bist du ein Gutmensch?

V: Was soll das nun schon wieder?

S: Charlys Nachbar sagt auch, dass die Gutmenschen unseren Staat noch ruinieren werden. 

V: Aus welchem Loch ist der den hervor gekrabbelt.

S: Charly hat gesagt, der Nachbar sei hyperkorrekt, also fast zwanghaft ordentlich. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der in einem Loch haust.

V: Mein lieber Sohn, ich meine Gruft. Der Herr scheint irgendwie in der Vergangenheit hängengeblieben zu sein.

S: Das ist mir eigentlich egal. Bist du nun ein Gutmensch?

V: Natürlich nicht.

S: Natürlich nicht? 

V: Ich habe nichts dagegen, dass die alte Schule nun wieder genutzt wird.

S: Aber?

V: Gastfreundschaft hat auch ihre Grenzen.

S: Aber als Onkel Ludwig letztes Jahr arbeitslos war, hast du dich doch auch gekümmert. 

V: Der gehört doch schließlich zur Familie.

S: Nun gut. Ich muss los.

V: Wo willst du hin?

S: Ich bin in der alten Schule und treffe mich mit Hallil.

V: Hallil?

S: Der ist seit einer Woche bei uns in der Klasse. Ich helfe ihm bei seinen Deutschhausaufgabe. Dafür erklärt er mir den Dreisatz. Der ist ein As in Mathe. Ich kann dir sagen.

Christ – Gutmensch – oder einfach nur Mensch

Was unterscheidet sie? Sind sie nicht alle gleich? Ich meine innerlich. Nicht in dem, was sie äußerlich vorgeben zu sein. 

Da ist der Christ, der Paulus Worte hört und danach handelt. Er glaubt fest daran, dass er mit seinen guten Taten Gott dient. Sein Leben ist ein steter Gottesdienst im Alltag.

Da ist der Gutmensch. Religiös ungebunden, oder vielfältig orientiert. Er hat für sich klar, dass es auf ihn ankommt. Es liegt an ihm, ob die Welt lebenswerter wird oder nicht. Und er tut alles dafür, dass sie es wird. Schritt für Schritt.

Der Mensch an sich ist, ist allein an dem orientiert, was ihm nutzt. Was ihm schadet unterlässt er und wer ihm schadet, den meidet er. Er ist sich durchaus bewusst, dass er zum Überleben auf andere angewiesen ist. Und doch bleibt er zurückhaltend und wachsam, da er schon viel erlebt hat, was ihm geschadet hat.

Die Frage des Sohnes an seinen Vater ist im Grunde die Frage danach, ob es allgemein gültige Leitsätze für das Leben gibt. Leitsätze, die wenn es sie gibt, dafür sorgen, dass es uns allen gut, oder zumindest besser geht.

Aber das Interesse an den Erklärungen des Vaters stößt irgendwann im Verlauf des Gespräches an eine Grenze. Der Sohn wendet sich ab. Will nicht länger debattieren und zieht los, um Hallil bei den Hausaufgaben zu helfen.

Christ – Gutmensch – oder einfach nur Mensch

Sie alle stehen in der Gefahr, über das Nachdenken, das Handeln zu vergessen. Anders all jene, die nicht lange fackeln, wie wir gerne sagen. Die spontan loslegen, anpacken und andere begeistern und mitziehen…

Wie die Initiatoren des in Berlin entstehenden House of one.  Ein einmaliges und einzigartiges Projekt. Juden, Christen und Muslime bauen gemeinsam ein Haus, unter dessen Dach sich eine Synagoge, eine Kirche und eine Moschee befinden. Ein Haus des Gebets und der interdisziplinären Lehre. Ein Haus der Begegnung, für ein Kennenlernen und den Austausch von Menschen unterschiedlicher Religionen. Ein Haus auch für die, die den Religionen fernstehen. Ein Ort des Friedens soll es werden in Zeiten immer größer werdender Abstände, die Menschen zu einander einnehmen,  weil sie einander nicht mehr verstehen, sich nicht kennen, oder es es einfach heißt, auf Nummer sich zu gehen.

Ich habe eine Vision

Ich träume von einem Haus, dass für (Kirchenbollenbacher, Nahbollenbacher, Dickesbacher, Göttschieder, Regulshausener, Geracher und Obersteiner) unterschiedliche Menschen ein Ort des Friedens wird. 

Ein Ort für die Ruhelosen und Geschundenen.

Ein Ort für die Traurigen und Fröhlichen.

Ein Ort mitten im Leben, an dem Gott sich finden lässt.

Gott führe und leite uns auf dem Weg zu einem solchen Haus! Amen

 

Oberstein, 20.01.2019